Bahnhofplatz Brig 2015
Der bisher lückenhaft definierte Grossraum um den Bahnhof Brig hat ein grosses städtebauliches Potenzial. Er verknüpft auf kommunaler Ebene die Gemeinden Brig und Naters. Als überregionaler Knotenpunkt des öffentlichen Verkehrs liegt er in unmittelbarer Nähe zur Briger Altstadt. Mit der auf Stadtebene geführten Matterhorn Gotthard Bahn (MGB), dem historischen Bahnhofsgebäude, dem ebenfalls historischen Hotel Viktoria sowie den reizvollen Ausblicken in die Berglandschaft hat der Ort eine starke Identität. Diese soll mit der grossräumigen Überdachung der MGB und des Busterminals sowie einer neuen Platzgestaltung gestärkt werden. In einem Wettbewerbsverfahren mit einer vorselektionierten Auswahl haben zehn Teams Lösungsansätze entwickelt.
Infrastruktureller Freiraum
Zwischen Bahndamm und Stadtkante liegend wäre der knapp vierhundert Meter lange, schlanke Raum gerne ein grosszügiger Platz - der vielleicht längste Bahnhofplatz der Schweiz. So klar die morphologische Disposition aus raumplanerischer Flughöhe erscheinen mag: Seine Ränder sind heterogen und deren architektonische Zuordnung auf den näheren Blick widersprüchlich. Weder die Abfolge von Villen und Vorgärten entlang der Viktoriastrasse noch diejenige der unterschiedlich formulierten und genutzten Bauten entlang des Bahndamms beziehen sich auf einen potenziellen Platzraum. Eine schlüssige Querbeziehung wird nicht zuletzt durch die Unpassierbarkeit der MGB-Gleise verhindert. Den Zusammenhalt über die gesamte Länge bezieht der Ort in erster Linie durch seine infrastrukturelle Prägung.
Verankern durch architektonischen Akzent
Bei den Einmündungen der Bahnhofstrasse und der Furkastrasse ist der Querbezug dafür umso intensiver. Diese beiden Pole verlangen nach stärker akzentuierten Platzdefinitionen. Charakteristisch sind hier prägnante Gebäude mit Publikumsnutzungen und der Anschluss an das übergeordnete Wegnetz.
Ziel für den Neubau des MGB-Bahnhofs ist es deshalb, durch eine kräftige Architektur eine vermittelnde Geste zur Stadtkante zu erreichen und den beiden kopfseitigen Platzräumen einen präzisen Abschluss zu geben. Die Betonarchitektur orientiert sich an Vorbildern von infrastrukturellen Ingenieurbauwerken des alpinen Raums und erinnert in ihrer Sprache an die unmittelbare Nachbarschaft Norditaliens.
Asymmetrie im Querschnitt
Der asymmetrische Querschnitt der Dacharchitektur soll dem unterschiedlichen Charakter von Stadt- und Dammkante Rechnung tragen. Durch Auskragung des Faltwerks wird die Bahn- und Bushofnutzung zum Damm hin geöffnet und erhält wertvolle Sichtbezüge zur bestehenden Bahnarchitektur. Überdies gelingt es in funktionaler Hinsicht durch die Konzentration der statischen Elemente auf das mittlere Perron dasjenige bei der Buskante frei von Stützen zu halten, was angesichts der knappen Breite und des arrhythmischen Sägezahn-Layouts Flexibilität verspricht.
Zur Viktoriastrasse hin wird der infrastrukturell geprägte Raum durch einen "Vorhang" von Stützen visuell gefiltert. Der Strassenraum wird damit gestärkt und rhythmisiert. Die gefaltete Dachbewegung in Längsrichtung tritt in Beziehung zur dahinterliegenden Stadtsilhouette und zum Gebirgspanorama.
Vorfabrizierte Tragstruktur
Das Tragwerk besteht aus einer auskragenden Dachkonstruktion von vorfabrizierten Betonelementen, die auf einer vorderen Reihe von Druckstützen aufgelegt sind und mit einer hinteren Reihe von Zugstützen abgespannt werden.
Die Dachträger weisen im Grundriss eine Rautenform auf und bestehen aus einem statischen V-Querschnitt. Der Querschnitt ist im Bereich der Druckstütze in Höhe und Breite gevoutet und gegen die Auskragung und die Abspannung hin verjüngt. Damit folgt der Querschnitt der statischen Beanspruchung. In Ihrer Dimension gehen sie ans Limit dessen, was die Produktion und die Transportierbarkeit erlaubt. Die Anzahl der Elemente wird so optimiert. Die nichttragenden Giebelelemente werden auf die Hauptelemente gesetzt.
Auch die Form der V-förmigen Druckstützen leitet sich von den statischen Anforderungen ab. Die horizontale Stabilität wird über die Stützengeometrie gewährleistet. Dazu werden die Druckstützen am Fusspunkt eingespannt und die A-förmigen Zugstützen zu einem Fachwerk in Längsrichtung verbunden.
Platzgestaltung mit Ortsbezug
Die landschaftsarchitektonische Gestaltung entwickelt sich aus der vorgefundenen Stadtstruktur von Brig. Der unmittelbare Übergang vom Stadtzentrum zum ausgedehnten Bahnhofplatz akzentuiert sich an der Häuserzeile entlang der Viktoriastrasse und deren neugestalteten Vorgärten mit der Setzung von Zierbäumen und ortsüblichen Mauerabschlüssen.
Funktionale Gründe führen zur Wahl von Asphalt als Platzoberfläche. Die Übergänge zur Kernstadt sowie die Vorbereiche zum Bahnhofhauptgebäude und den neuen Bahnperrons der Matterhorn Gotthard Bahn werden mit grossformatigen Natursteinplatten hervorgehoben. Die Ausformulierung der Randbereiche greift eine Platztypologie auf, die aus historischen Bildern vertraut ist und in den Bordüren der Bahnhofstrasse ihre Fortsetzung findet.
Projektinformation
Auftrag:
Stadtgemeinde Brig-Glis
Gemeinde Naters
MGBahn
PostAuto Schweiz AG, Region Wallis
SBB Immobilien
Wettbewerb im selektiven Verfahren 2015, 3. Preis
Mitarbeit 10:8 Architekten:
Rebekka Marxer, Lâle Lea Geyer
Georg Rinderknecht, Katrin Schubiger, Jürg Senn
Projektpartner:
Haller Ingenieure
Andreas Geser Landschaftsarchitekten